"Woman of Worth" - Interview der Zeitschrift India Today mit Amma

Woman of Worth - Frau von besonderem (oder hohem) Wert - Interview vom 11. März 2020

Jeden Tag kommen Tausende von Menschen, um Ammas Trost, spirituelle Weisheit und Segen zu suchen, den sie in Form einer mütterlichen Umarmung gibt.

Sri Mata Amritanandamayi Devi (Amma) ist eine weltbekannte humanitäre und spirituelle Führungspersönlichkeit. Amma ist die Leiterin des Mata Amritanandamayi Math und von Embracing the World, einem multinationalen Netzwerk von gemeinnützigen Organisationen, die sich für die Bereitstellung von Nahrung, Kleidung und Unterkunft für Arme und Bedürftige einsetzen. Das Math hat mehr als 200'000 Frauen aus der Region geholfen, ihre eigenen Unternehmen zu Hause zu gründen, die durch Berufsausbildung, Mikrofinanzierung und Selbsthilfegruppen gefördert werden. Amma ist auch Kanzlerin der Amrita Vishwa Vidyapeetham (Amrita Universität, Anm. Übersetzer), die 2016 zur ersten indischen UNESCO-Lehrstuhlinhaberin für Geschlechtergleichstellung und Frauenförderung ernannt wurde. Jeden Tag kommen Tausende von Menschen, um Ammas Trost, spirituelle Weisheit und Segen zu suchen, den sie in Form einer mütterlichen Umarmung gibt.

 

FRAGE: Amma ist weltweit als spirituelle Führerin, als Lehrerin und als Menschenfreundin bekannt. Was hat Sie dazu inspiriert, diesen Weg einzuschlagen?

AMMA: Ich bin eine Mutter. So wie das Fliessen die Natur eines Flusses und die Süsse die einer Frucht ist, so ist das mütterliche Mitgefühl meine angeborene Natur. Was kann ich tun? Dieses Gefühl des Einsseins ist für mich sehr real. Ich sehe andere als mein eigenes Selbst, und wenn ich ihren Schmerz, ihr Leid und ihre Probleme sehe, möchte ich ihnen helfen. So ist es seit meiner Geburt. Ich fühle keinen Unterschied. Das ist einfach meine Natur. Es ist so, wie wenn unsere linke Hand verletzt wird, kommt unsere rechte Hand sofort zu Hilfe, um sie zu streicheln und bei Bedarf Medikamente anzuwenden. Das liegt daran, dass sie die linke Hand nicht als anders als sich selbst empfindet. Wenn wir spirituelles Verständnis haben, werden wir so reagieren, wenn wir andere leiden sehen.

 

FRAGE: In vielen Ihrer Arbeiten ist von Frieden die Rede. Wie sehen Sie die Beziehung zwischen Frauen und Frieden?

AMMA: Frauen sind Mütter, und die Mutter ist der erste Lehrmeister. In der Gebärmutter ist das Kind eins mit der Mutter. Das Kind isst, trinkt und atmet durch die Mutter. Auch nach der Geburt bleibt diese Verbindung auf subtile Weise bestehen. Wenn die Mütter es also versuchen, können sie in ihren Söhnen und Töchtern die Saat der Güte und Kultur säen. Zusammen mit ihrer Muttermilch können sie Mitgefühl, Geduld, Selbstlosigkeit, Frieden usw. vermitteln. Durch den Einfluss, den sie auf ihre Kinder haben, sind es also vor allem die Mütter, die die Zukunft der Welt beeinflussen. Eine Frau, die ihre Matrutvam [Mütterlichkeit] erweckt hat, verwandelt, wo immer sie ist, die Erde in den Himmel. Sie ist diejenige, die die Wiege schaukelt, die die Lampe hochhält und Licht in die Welt bringt.

 

FRAGE: Würden Sie sagen, dass das Weibliche vielleicht den Schlüssel zum Überleben unserer Spezies innehat und, wenn ja, warum?

AMMA: Ja, denn diese mütterlichen Qualitäten - Güte, Geduld, Anpassung, Mitgefühl, Frieden, Selbstlosigkeit, Demut - werden heute mehr als je zuvor gebraucht. Diese Qualitäten müssen in der Gesellschaft - sowohl bei Frauen als auch bei Männern - erwachen, wenn wir überleben wollen.

 

FRAGE: Amma gilt als "Verkörperung der reinen Liebe", woher kommt all diese Liebe?

AMMA: Die Quelle liegt im Inneren. Die Unendlichkeit ist im Inneren. Tatsächlich ist die Liebe die wahre Natur eines jeden Menschen. Sie ist Ausdruck des einen Wahren Selbst, das das wahre Herz eines jeden Menschen ist. Unser Leben ist dazu bestimmt, in dieser Liebe geboren zu werden, in Liebe gelebt zu werden und schließlich in dieser Liebe zu enden. Auf diese ewige Liebe ist jeder Aspekt der Schöpfung wie Perlen auf eine Schnur gewebt - Mensch, Natur, Gott. Der Glanz der Liebe ist also für immer in uns als unser eigentliches Wesen. Tragischerweise sterben die meisten Menschen, ohne dies jemals zu erfahren. Wenn die Menschen zu mir kommen, dann strömt ihnen die Liebe entgegen, die ich für das gesamte Universum empfinde, . Für viele ist dies so, als ob sie zum ersten Mal kühles, reines Wasser trinken würden.

 

FRAGE: Was ist "Empowerment der Frauen"? Geht es hier um die Gleichstellung der Geschlechter oder geht es um mehr als das?

AMMA: Im Grunde genommen ist "Women's Empowerment" etwas, das im Inneren geschehen sollte. In Wahrheit sind Frauen bereits mächtig. In der Sri Lalita Sahasranama wird die Göttliche Mutter als iccha-sakti jnana-sakti kriya-sakti svarupini- "Sie, deren eigene Form die Kraft des Willens, des Wissens und des Handelns ist" beschrieben. Die Wahrheit ist, dass diese drei Kräfte jeder Frau innewohnen. Aber viele Frauen müssen erst noch dazu erwachen. Frauen sind nicht hilflos oder schwach. Die Gesellschaft hat sich diese Idee ausgedacht und sie damit gefesselt. Aber es gibt nichts, was eine Frau nicht tun kann, wenn sie sich darauf einlässt. Man muss nur die richtigen Umstände schaffen, um die ihr innewohnende Kraft zu wecken. Durch die Frauenförderprogramme des Ashrams und der Amrita Universität versuchen wir, Umstände zu schaffen, die dieses Erwachen unterstützen. Nach dem Tsunami [im Jahr 2004] starteten wir ein Programm mit dem Namen AmritaSREE [Amrita Self-Reliance, Employment & Empowerment]. Heute sind mehr als 200'000 Frauen in ganz Indien eingeschrieben. Der Ashram gibt diesen Frauen Startkapital und die nötigen Fähigkeiten, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen.

 

FRAGE: Was sind die Qualitäten einer eigenverantwortlichen Frau? Und wie können Frauen empowert werden und gleichzeitig ihre Weiblichkeit erhalten?

AMMA: Es gibt nichts, was eine Frau nicht tun kann, wenn sie sich darauf einstellt. Heute sehen wir Frauen in politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bereichen erblühen. Alles, was ein Mann tun kann, kann auch eine Frau tun. Aber Frauen sollten immer fest in ihrer mütterlichen Natur bleiben. Ohne dieses Fundament zu verlassen, sollten sie danach streben, sich in allen anderen Bereichen auszuzeichnen. In unserer Kultur haben wir das Konzept von Ardhanarisvara-Gott als halb Frau/ halb Mann. Dies zeigt uns, dass Vollendung entsteht, wenn wir unsere weiblichen und männlichen Qualitäten in ein Gleichgewicht gebracht haben. Aber das bedeutet nicht, dass Frauen Männer in ihrem Verhalten, ihren Eigenheiten und ihrer Kleidung imitieren sollten.

 

FRAGE: Erzählen Sie uns etwas darüber, was "die Welt umarmen" bedeutet.

AMMA: So werden die karitativen humanitären Programme der Menschen genannt, die sich in der ganzen Welt engagieren. Ich habe viele gute Kinder, die der Gesellschaft selbstlos etwas zurückgeben wollen. Durch den Ashram in Indien und andere Gruppen im Ausland konnten wir viele Dienste für die Armen und Kranken leisten. Wir haben in ganz Indien mehr als 47’000 Häuser für Obdachlose gebaut. Wir haben nach Tragödien wie Tsunamis, Erdbeben, Überschwemmungen und Zyklonen Katastrophenhilfe geleistet. Wir bieten kostenlose Gesundheitsversorgung und Operationen für die Bedürftigen an. Fünfzigtausend Stipendien für arme Kinder, Selbsthilfegruppen (SHGs) für Frauen, Umweltsäuberungen und Baumpflanzaktionen, Waisenhäuser, Adoption von 101 Dörfern in ganz Indien So viele Programme gibt es. Für Amma ist der Dienst an den Armen und Bedürftigen ein Dienst an Gott. Man kann darüber debattieren, ob Gott existiert, aber kein vernünftiger Mensch kann behaupten, dass die Armen und Leidenden nicht existieren. Wir können sie mit unseren eigenen Augen sehen. Lassen Sie uns tun, was wir können, um ihnen zu helfen.

 

FRAGE: Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie am Internationalen Frauentag an junge Frauen aussenden wollen?

AMMA: Männer mögen mehr Muskelkraft haben als Frauen, aber Frauen haben einen Muskel, der sie stärker macht als Männer. Sie müssen diesen Muskel stärken. Das ist der Muskel des Herzens. Wenn Frauen versuchen, mit Männern körperlich zu konkurrieren, indem sie ihre physische Muskelkraft entwickeln, ist das so, als ob sie versuchen würden, einen Fehler durch einen anderen Fehler zu korrigieren. Das ist wie der Versuch, zwei positive Pole eines Magneten zu verbinden. Das wird die Gesellschaft nicht weiterbringen. Frauen sollten sich daran erinnern: Sie sind keine Kerzen, die von jemand anderem angezündet werden müssen; sie sind die selbstscheinende Sonne. Ihr seid nicht hilflos und abhängig wie kleine Kätzchen; ihr solltet den Mut und die Kraft entwickeln, wie Löwen zu brüllen.

Veröffentlicht in https://www.indiatoday.in/magazine/from-india-today-magazine/story/20200316-woman-of-worth-1654448-2020-03-11